von mephrix am Do 7. Aug 2008, 02:29
Lost - Teil 23
8. Tag
… Es regnete noch immer als sich der Wagen in Bewegung setzte. Langsam, aber stetig fuhren wir die Straße entlang. Als ich während der Fahrt in den Rückspiegel blickte, konnte ich noch einmal den etwas »einsam« wirkenden Polizisten sehen, bevor er schlussendlich in dem langsam aufkommenden Nebel verschwand. Allmählich füllten sich auch die Londoner Straßen und der somit dichter werdende Verkehr erschwerte das Vorankommen.
»Da hatten wir aber noch mal Glück, dass es doch noch naive Polizisten gibt«, grinste ich ein bisschen fies zu meiner Beifahrerin rüber.
Sie sah mich daraufhin nur mit einem herausfordernden Blick an, der wohl mehr als 1000 Worte sagen konnte. Gerade als ich mich noch ein bisschen mehr darüber lustig machen wollte, vibrierte etwas in meiner Tasche. Nach der Art der Vibration zu urteilen musste es eine SMS gewesen sein. Während ich noch auf den Verkehr achten musste, holte ich mein Mobiltelefon hinaus und gab es Nic, damit sie mir die Nachricht, die vermutlich von Erril sein musste, laut vorlesen konnte.
»Nic? Mein Handy hat vibriert. Wahrscheinlich ist es die versprochene SMS von Erril. Kannst du sie mir laut vorlesen?«, bat ich sie um diesen Gefallen.
Sie sah gespannt auf das hell aufleuchtende Display und las die Kurzmitteilung laut vor: »doN? Wir treffen uns wie vereinbart um 19 Uhr in einer Hütte außerhalb von London. Nic weiß, welche ich meine.«
»Wo ist diese Hütte?«, fragte ich sie, bevor sie überhaupt noch mal zu Wort kommen konnte.
»Die Hütte liegt in einem Waldgebiet außerhalb von London. Von hier aus müssten es ungefähr 30 Minuten Fahrtzeit sein. Es ist die erste angeschriebene Hütte, wenn man aus Hillingdon hinausfährt«, erklärte sie mir grob den Weg zu diesem ungewöhnlichen Ort.
»Und warum ausgerechnet dort? Das hört sich nach einer ziemlich menschenleeren Gegend an«, fragte ich sie nachdem ich mein Mobiltelefon wieder in meine Tasche steckte.
»Ich hab dir doch heute Mittag von einem weiteren Ort erzählt, an dem sich Erril aufhalten könnte. Diese Hütte ist der Ort, Erril hat sie damals für uns gekauft. Und was gab es besseres für ein damals frisch verliebtes Pärchen, als sich zu zweit auf einer einsamen Hütte in einer verlassenen Gegend verkriechen zu können?«, antwortete sie mir auf meine sinnlose Frage.
»Klingt irgendwie logisch¬«, konnte ich nur auf ihre Antwort erwidern, »aber bevor wir uns dorthin begeben, müssen wir noch für einen kurzen Zwischenstopp halt machen.«
Sie sah etwas verunsichert zu mir hinüber und als sie mich fragen wollte, um was für einen Zwischenstopp es sich denn handelte, war ein breites Schild zu sehen, auf dem in großen Lettern das Wort »Heathrow Airport« stand. Der Flughafen London Heathrow, auch einfach »Heathrow Airport« ist ein internationaler Verkehrsflughafen im Westen von Großbritanniens Hauptstadt London. Er hat mit rund 67 Millionen Flugreisenden das größte Passagieraufkommen Europas und hinter Atlanta und Chicago das drittgrößte weltweit. Der Flughafen befindet sich im Stadtbezirk London Borough of Hillingdon.
»Wir fahren zum Flughafen?! Was zum Geier wollen wir dort, doN? Antworte mir!«, wurde sie plötzlich unruhig und leicht gereizt.
»Tut mir leid, Nic!«, antwortete ich ihr kühl als die ersten Umrisse des Flughafens, die von einem leichten Nebelschleier umhüllt wurden, zu sehen waren.
Als ich nach ein paar Augenblicken des Schweigens zur ihr hinüber blickte, sah sie mich nur mit einem verärgerten Gesichtsausdruck an. »Ich muss Dreams Anweisungen befolgen, auch wenn ich in dieser Sache nicht der gleichen Meinung bin wie er. Er handelt und entscheidet zum Wohle der Mafia, in unserem Sinne. Selbst meine Argumente haben ihn nicht überzeugen können. Deswegen hast du keine andere Wahl! Du wirst heute noch in ein Flugzeug steigen und London für einige Tage verlassen. Und bitte zwing mich nicht dazu dich in ein Flugzeug zu schleifen. Dazu haben wir heute schon zuviel durchmachen müssen«, versuchte ich auf sie einzureden.
An dieser Stelle hatte ich eigentlich mit einem Donnerwetter gerechnet, aber sie blieb stumm. Die restlichen Minuten, die wir bis zum Haupteingang des Flughafens gebraucht hatten, sagte sie kein einziges Wort mehr. Gegen Achtzehnuhr siebzehn parkte in der Nähe des Haupteinganges und sah zu Nic hinüber. Noch immer warf sie mir böse Blicke entgegen, doch ein Befehl war ein Befehl. Wer eigenmächtig handelte, konnte sich unter Umständen viele Probleme einfangen. Probleme, die in einem so brutalen Mafiakrieg verheerend sein konnten.
»Steig bitte aus, Nic! Es ist nur zu deinem Besten. Wir werden nun zu einem der Terminals gehen und du wirst dir für die kommende Woche ein schönes »Urlaubsziel« aussuchen. Und hör auf so ein Gesicht zu machen. Es fällt mir auch nicht leicht nach diesem harten Tag. Aber bevor dieser Krieg nicht vorüber ist, ist es einfach zu gefährlich für dich!«, versuchte ich uns beiden die Situation zu erleichtern.
Weniger Meter vor dem Eingang entfernt war ein freier Parkplatz. Nachdem der Wagen zum Stillstand kam, öffnete sie kommentarlos die Beifahrertür und stieg aus. Schweigend gingen wir zum Haupteingang und betraten den großen Flughafenkomplex. Innerhalb der Mauern war eine helle und moderne, aber doch typische Flughafenatmosphäre und -einrichtung zu finden. Die große Anzeigetafel, auf der die aktuellen An- und Abflüge standen, die Duty-free-Shops und die gepolsterten Sitze, die beinahe überall zu finden waren. Die Gänge zwischen den verschiedenen Terminals waren außerdem mit kleinen Flaggen diverser internationaler Länder verziert.
Etwas grob packte ich Nic plötzlich am Arm und zog sie in die Richtung des am nächsten gelegenen Terminals.
Durch den Mafiakrieg, der nun schon eine gute Woche dauerte, war es auf dem sonst lebhaften Flughafen ziemlich ruhig geworden. Viele Flüge wurden zur Sicherheit gestrichen oder verschoben. Auch das Polizeiaufgebot am Flughafen wurde drastisch erhöht, was die Sache für mich nicht sonderlich erleichterte. Zum Glück war ich in London kaum bekannt und somit hatte ich vor den Sicherheitskräften nicht viel zu befürchten.
Als wir am nächstbesten Ticket-Schalter angekommen waren, zog ich Nic noch einmal zu mir hin. »Hast du dir einen Ort ausgesucht, Nic?«, fragte ich sie vorsichtig.
Konzentriert sah sie sich die verschiedenen Flugziele an und es schien, als hätte sie sich mit der Tatsache abgefunden. Mit einem leichten grinsen sah sie mich plötzlich an und deutete auf einen Flug, der in 15 Minuten startete.
»Also gut, doN, ich werde eine Woche nach Hawaii gehen!«, lenkte sie auf einmal ein und tat so, als würde sie sich darauf freuen.
Leicht verunsichert schaute ich ihr in die Augen und nickte zustimmend dafür. Irgendwie kam in mir ein Gefühl auf, als führte die feurige mexikanische Dame etwas im Schilde. Oder vielleicht hatte sie es auch einfach eingesehen, dass es die beste Lösung für die momentane Situation war. Für uns alle.
Ein paar Minuten später waren wir endlich an der Reihe. Die hübsche, aber nicht sehr motivierte Flughafenmitarbeiterin begrüßte uns freundlich. »Welchen Flug wollen Sie?«
»Eine Woche nach Hawaii, für eine Person, nur leichtes Handgepäck«, antwortete ihr Nic sofort, nachdem ich sie zuvor kurz angestoßen hatte.
Es verging nicht viel Zeit bis Nic ein Flugticket für einen erholsamen und ruhigen Urlaub in ihren geschmeidigen Händen hielt. Dankend packte ich sie wieder an ihrem Arm und wir gingen zum Check-In-Schalter, um eine Bordkarte mit Sitzplatz- und Flugsteignummer zu bekommen. Anschließend gingen wir zu einen der gepolsterten Sitze, die sich in der Nähe des Gates, also des Flugsteigs, befanden. Bis zum Start der Flugzeugturbinen waren es noch ca. zehn Minuten.
Da ich noch etwas Zeit hatte, ging ich zum nahe gelegenen Kiosk, um mir eine Landkarte zu kaufen. Als ich zu meiner Gefährtin zurückkam, zeigte ich ihr die Karte und lies mir den Weg zur Errils Hütte zur Sicherheit noch mal erklären.
Um mein Gewissen etwas zu erleichtern, ging ich in die Hocke, damit ich Nic, die mittlerweile auf einen der Sitze platz genommen hatte, in die Augen schauen konnte. Vorsichtig nahm ich ihre zerbrechlichen Hände und sah ihr noch mal tief in die Augen.
»Hör zu, Nic! Ich weiß, die ganze Sache... Es ist nicht in Ordnung, aber ich hoffe du kannst uns auch ein bisschen verstehen. Wir mussten das tun, zu unserem und letztendlich auch zu deinem Wohle. Es wäre doch schade, wenn so einem hübschen Gesicht wie du es hast, etwas passieren würde! Und wenn du in einer Woche zurückkommst, dann werde ich auf dich warten. Versprochen!«, gab ich ihr mein Wort während ich sie schüchtern anlächelte.
Natürlich hatte ich sie in diesem Moment belogen, denn ich hoffte, sie nie wieder zu sehen. In diesem Geschäft ist es schon schwierig genug auf sich selbst aufzupassen. Eine Frau an meiner Seite würde alles nur komplizierter machen, auch wenn ich dieses Risiko trotz allem liebend gerne eingehen würde. Aber um am Leben zu bleiben muss man auf seinen Verstand und nicht auf sein Herz hören. Deshalb wollte ich auch, sobald die ganze Geschichte überstanden war, sofort wieder nach Berlin zurückkehren.
Sie lächelte mir ebenfalls zu und wahrscheinlich wusste sie auch, dass ich sie angelogen hatte. Doch sie hatte sich nichts anmerken lassen. Als ich mich erheben wollte, nahm ich ihren Kopf fürsorglich in meine Hände und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. »Wir sehen uns in einer Woche, mach’s gut!«, flüsterte ich ihr noch ins Ohr.
Sie erwiderte meine Geste mit einer kurzen Umarmung und ging dann in Richtung Flugsteig. Als ich mich umdrehte, um zum Ausgang zu laufen, war ich erleichtert, dass ich sie doch noch von dieser Aktion überzeugen konnte. Es war verwunderlich, dass sie plötzlich doch noch einlenkte, aber vermutlich hatten meine Worte an ihr Gewissen sie doch noch umstimmen können.
Bevor ich das Flughafengebäude durch den Ausgang verlies, blickte ich noch einmal auf meine Uhr. Es war auf die Sekunde Achtzehnuhr neunundzwanzig und ich hatte noch ungefähr eine halbe Stunde Zeit, bevor ich mich mit Erril in der Hütte außerhalb von London treffen würde...
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mephrix am Fr 7. Aug 2009, 03:52, insgesamt 2-mal geändert.